Man sitzt nach dem Film im Kino und denkt nach. Das ist schon mal gut. Man denkt. Zumindest das schafft der Film. Er berührt viele typisch deutsche Probleme. Er bedient auch viele typisch deutsche Klischees. Leider schafft er nicht viel mehr.

Mein Problem Nummer Eins: Soll ich nun von der Situation Jule geschockt sein? Ich meine, klar, sie hat viele Schulden, einen beschissenen Job und ein Arschloch als Vermieter. Aber mal im ernst, wer kann schon einen Kellnerjob leiden und wessen Vermieter ist ein netter Kerl? Und dass sie es geschafft hat, ein Auto ohne Versicherung in einer Mercedes zu fahren fällt für mich irgendwie unter eigene Dummheit. Und das schlimmste: Es wirkt so konstruiert. Wie vielen Leuten passiert das wohl? Es gibt so viele Leute die schwere Probleme oder Schulden haben, ohne dass sie selbst dafür verantwortlich sind. Und nach ihrer eigenen Aussage wäre Jule nach 10 Jahren schuldenfrei. Das ist auch etwas, wovon andere Leute nur träumen können. Gut, ich konnte mich in ihre Situation versetzen, aber trotzdem kam es mir reichlich übertrieben vor, so etwas als zentrales Beispiel für die Gesellschaftskritik des Films hinzustellen. Studentenprobleme könnte man es nennen. Oder Jammern auf hohem Niveau. Wo bleibt die echte Verzweifelung? Man kommt sich vor wie bei “Die Sendung mit der Maus erklärt Hartz-4”.

Fette Jahre

Der Film dümpelt am Anfang auch ziemlich langsam dahin, kann sich nicht genau entscheiden ob er nun Quasi-Doku-Drama oder lieber Gesellschaftskritik oder doch besser Rebellendrama ist. Als Rebellendrama funktioniert der Film als einziges: Die Sehnsucht nach Veränderung und etwas, an dass man Glauben kann. Das warme Gefühl, dass man nicht allein ist. Der Frust, dass alles was man machen will, schon vorher gemacht wurde. Später, in der Hütte mit dem 68er, läuft der Film in die richtige Richtung. Den jungen Rebellen wird das Spiegelbild der eigenen Zukunft vorgehalten. Alles was sie machen, wurde schon von ihren Vorgängern (den 68ern) diskutiert, beschlossen und protestiert. Und ihnen stehen auch dieselben Konsequenzen bevor. Aus fast allen Idealisten müssen irgendwann auch mal Pragmatiker werden. Das Leben holt alle sie ein.

Leider schafft es der Film nicht, sich darauf festzulegen. Man hört auch ständig die typischen extremen Botschaften: Die Reichen und das Fernsehen sind an allem Schuld. Man muss nur den einen Angst einjagen und das andere Abstellen. Dann werden Horden von Beamten, Versicherungsangestellten und arbeitslosen Alkoholikern spontan aufspringen und die Ungerechtigkeiten mit einem (friedlichen) Fackelumzug aus der Welt schaffen. Die ganze Selbstreflektion auf der Hütte ist (von allen Seiten) am Ende vergessen. Ebenso die eigene Unfähigkeit im Verbrechen oder die Probleme der Dreiecksbeziehung. So können uns die Helden am Ende nur mit eine lahmen Botschaft bedienen.

Wenigstens haben sie sich für eine entschieden.